Artikel Weltspiegel: Simbabwe: Terror, Tod und Tyrannei

Sendung vom 26.08.2007 19:20 Uhr (NDR)

Einst afrikanisches Musterland – nun am Abgrund: Ein Fünftel der Bevölkerung ist vor dem Terror des Diktators Robert Mugabe geflohen. Der australische Premierminister Howard vergleicht das Regime mit der Nazi-Diktatur: "Das sind Gestapo-Methoden, mit denen Mugabe gegen die Opposition vorgeht." Im Auftrag des 83-jährigen verbreiten Schlägertrupps Tod und Schrecken. Die afrikanischen Anrainer-Staaten lassen bisher Milde walten: Auf ihrem Gipfeltreffen letzte Woche begrüßten die 1.000 Deligierten der "Entwicklungsgemeinschaft der Länder im südlichen Afrika" (SADC) Robert Mugabe mit Applaus. Mittlerweile müssen sie ihr Mehl wieder so mahlen, wie ihre Vorfahren es vor Hunderten von Jahren gemacht haben. Das Dorf Gwanda in Simbabwe hat eigentlich eine Getreidemühle. Aber Diesel, um die Maschine zu betreiben, gibt es längst nicht mehr. Die Menschen des Dorfes suchen Zuflucht bei Gott, um ihr Elend zu erklären: "Als ich jung war, da war alles noch in Ordnung. Wir hatten Rinder, es gab genug Wasser. Heute haben wir nichts, und Gott lässt es nicht regnen", sagt ein Dorfbewohner. Frank Ndlovu aber, der blinde Dorfvorsteher, weiß, dass das Elend in Simbabwe von Menschen gemacht ist. Simbabwe wird von seinen eigenen Machthabern ruiniert.

Ein Angst erfülltes Land
Die Dorfbewohner hatten sich bereit erklärt, gefilmt zu werden, ihre Namen zu nennen, mitten in ihrem von Angst erfüllten Heimatland Simbabwe von ihrem Leid zu erzählen. So wie Maria Ndlovu, Ehefrau des Dorfvorstehers: ""Auf dem Land sind viele Menschen kurz davor, zu verhungern. Wir hatten gedacht, dass die von der Kooperative uns helfen. Aber sie haben uns gesagt, dass ihr Lager auch leer ist."

Ein bisschen Tee und drei Süßkartoffeln sind alles, was sie an diesem Morgen auftreiben können. Selbst Grundnahrungsmittel sind Mangelware in Simbabwe. Sie aber schämen sich dafür, einem Gast nichts anbieten zu können. Das Durchschnittsalter in Simbabwe ist mittlerweile auf 36 Jahre gesunken. Frank ist schon 64.

"Die Zukunft ist trostlos für die Menschen von Simbabwe. Unser Dasein ist hart, wir leben von der Hand in den Mund. Niemand weiß, was der nächste Tag bringt, immer wieder kratzen wir das notdürftig zusammen, was wir brauchen", erzählt Dorfvorsteher Frank Ndlovu. Sein Enkelkind führt ihn zu dem Brunnen, den er eigenhändig gegraben hat, obwohl er blind ist. Aber selbst in 20 Metern Tiefe ist kaum noch Wasser. Also sind sie auf das dreckige Wasser am 5 Kilometer entfernten Teich angewiesen. Es steckt voller Krankheitserreger. Simbabwe leidet unter der schlimmsten Dürre seit 30 Jahren. "Du musst mir tragen helfen", sagt die Frau zu ihrem Kind. "Ich bin zu erschöpft." – Normalerweise müsste der Teich doppelt so voll sein.

Frank lässt sich ins Nachbardorf fahren. Dies ist das Matabeleland, eine Oppositionshochburg. Hier hat Simbabwes Herrscher Robert Mugabe Mitte der 80er Jahre Zehntausende von Regimekritikern abschlachten lassen.

Die Opposition lebt gefährlich
Sie leben immer noch gefährlich. Schlägertrupps ziehen durch das Land. Ein falsches Wort, und Spitzel verpfeifen die Regimekritiker, viele werden ermordet. Die Leichen werden verscharrt, die Menschen verschwinden spurlos, erscheinen in keiner Statistik. Zwei Wilderer tauchen auf. Auf einer Jagdfarm in der Nähe haben sie Antilopen geschossen. Sie bieten Frank getrocknetes Fleisch an. Ein Glückstag für Frank. Fleisch gibt es in Simbabwe eigentlich gar nicht mehr. "Es gibt immer noch Antilopen auf diesen Jagdfarmen", wundert er sich. Diese privaten Tierparks gehören mittlerweile meistens hohen Regierungsbeamten. Zurück im Dorf Gwanda. Seitdem die Regierung die Ladeninhaber zwang, ihre Preise drastisch zu senken, horten viele ihre Bestände. Auch der einzige Laden in Gwanda ist daher leer.

Die Menschen misstrauen sich gegenseitig
Das System der Einschüchterung in Simbabwe funktioniert. Eine Nachbarin will etwas sagen, möchte aber nicht erkannt werden. "Was möchtest du sagen", fragt einer. "Man müsste Präsident Mugabe verhexen", sagt sie. "Dann ist er ungeschützt, und man kann ihn um die Ecke bringen."

Verlegenes Lachen. Hinter der Frau erscheint ein Mann, der mit einer Schleuder einen Vogel erlegt hat. "Mit seiner Schleuder könnte er doch auch Mugabe abknallen", sagt die Frau. Mutige Worte in einem Land, das unter dem Terror der Geheimpolizei wie gelähmt ist. Aber Frank sagt, er habe nichts zu verlieren.

Wie lange soll das noch so weitergehen, fragen sie sich. Simbabwes Inflationsrate ist mit über 7600 Prozent die höchste der Welt. Mit Geld könnte man selbst ein einfaches Essen wie dieses nicht mehr bezahlen,

denn die simbabwische Währung ist nichts mehr wert. Also betreiben sie Tauschhandel, leben von dem, was sie selbst anbauen.

Die Zukunft sieht düster aus
"Meine eigene Zukunft sieht düster aus", sagt Frank immer wieder. "Wenn niemand kommt, um uns zu helfen, werden wir immer mehr im Elend versinken. Ich bin also nicht sehr glücklich über unsere Situation. Aber vielleicht kommt ja Hilfe…" Besonders hoffnungsvoll wirkt der blinde Dorfvorsteher dabei nicht. Es wird wohl erst besser werden, wenn es einen Regimewechsel gibt in Simbabwe. Doch darauf gibt es gerade keine Hinweise.

Autor: Richard Klug, ARD Studio Johannesburg

Simbabwe: Flucht aus dem Chaos

Sendung vom 18.03.2007 19:20 Uhr (NDR)

Die Lage in Simbabwe eskaliert: Erst am vergangenen Wochenende ließ Präsident Robert Mugabe wieder eine Demonstration niederknüppeln und den dabei schwer verletzten Oppositionsführer Morgan Tsvangirai verhaften. Binnen sieben Jahren hat der Despot sein Land in den Abgrund gerissen. Die Felder sind versteppt, die Menschen hungern. Viele sehen nur noch einen Ausweg: Flucht. Doch wer dabei erwischt wird, dem drohen harte Strafen. Richard Klug begleitete eine Gruppe bei ihrer gefährlichen Odyssee durch ein Land, das im Chaos versinkt.

Ihre Flucht beginnt in der Nacht
Aus Angst vor wilden Tieren haben sie ein Feuer gemacht. Ihre größte Angst gilt dem, was vor ihnen liegt. Keiner schläft. Sie sprechen wenig. Im Morgengrauen brechen sie auf. Die Flüchtlinge wurden nicht gefragt, ob sie gefilmt werden wollen. Der Kameramann Godknows Nare hat allein mit den Schleppern verhandelt. Wahrscheinlich hat er sie dafür bezahlt. Er schweigt darüber. Ihre Anspannung überträgt sich auf die Kinder.

"Es ist nicht einfach in Simbabwe. Das Leben ist sehr hart. Was soll ich dort tun? Ich kann nichts verdienen, alles wird immer teurer. Wir haben diese hohe Inflation", erklärt ein Flüchtling.

Zur gleichen Zeit, auf der anderen Seite des Grenzzauns. Ein anderer Kameramann filmt die südafrikanische Armee auf Patrouillenfahrt. Der Grenzzaun ist 200 Kilometer lang, so lang wie die südafrikanischsimbabwische Grenze. Jeden Tag müssen sie Löcher reparieren, die immer wieder neue Flüchtlinge in den Draht geschnitten haben. Nichts scheint die Flüchtlinge aus Simbabwe abzuschrecken

Die Gruppe, die von Godknows Nare gefilmt wird, erreicht den Grenzfluss Limpopo. Vorsichtig erkundet einer der Schlepper das Gelände. Sie wollen weiter, doch da geschieht es: Sie werden überfallen. Eine Jugendbande, die im Grenzgebiet ihr Unwesen treibt, die sogenannten "Amagumbagumba". Sie nehmen ihnen die Schuhe ab, das wenige Geld, das sie haben. Godknows darf weiterfilmen. Die Gangster kennen den Schlepper, und der schützt ihn. Der Schlepper ist es auch, der mit den Gangstern verhandelt, wie viel sie nehmen dürfen.

"Sie haben uns geschlagen."

"Haben sie auch Dein Geld genommen?"

"Ja."

"Wie viel?"

"450,- Rand". Das sind knapp 50,- Euro.

An einer flachen Stelle gehen sie über den Fluss. Der Limpopo ist berüchtigt für seine vielen Krokodile. Immer wieder werden Flüchtlinge gefressen. Sie aber schaffen es. Auf der anderen Fluss-Seite. Hier ist bereits südafrikanisches Staatsgebiet, der Grenzzaun aber liegt hundert Meter weiter. Immer noch drohen ihnen Überfälle, denn auch hier operieren Jugendbanden. Doch nichts scheint die verzweifelten Menschen aus Simbabwe abzuschrecken; viel schlimmer scheint das zu sein, was sie an Alltag hinter sich haben.

Hinter einer Bodensenke warten sie auf den gefährlichsten Teil der Flucht.

Hektisches Flüstern. Die Schlepper haben ein schwache Stelle im Zaun entdeckt. Jetzt muss es schnell gehen. Immer wieder werden Flüchtlinge mitten im Zaun hängend von den südafrikanischen Patrouillen erwischt. Sie mussten den Zaun nicht einmal durchschneiden. 19, 20, alle drüben. Auch die Frauen mit den Kindern. Einer der Schlepper erzählt von den Risiken der Flucht: "Es ist sehr gefährlich. Ich meine gar nicht die Krokodile. Viel gefährlicher sind diese Gangster. Manchmal erschießen sie die Flüchtlinge, nachdem sie ihnen alles abgenommen haben. Auch die Soldaten sind gefährlich."

An dieser Grenze spielen sich Tragödien ab
Auch die südafrikanischen Soldaten müssen hin und wieder grausige Entdeckungen machen. Der Verwalter eines privaten Tierparks an der Grenze hat ein paar Tage zuvor zwei Leichen gefunden. Eine junge Frau,

und ihr Baby. Die Mutter war vermutlich zuerst tot, vor Erschöpfung. Das Baby war noch 2 Tage neben seiner Mutter gesessen, bis es auch starb. Ein paar Kilometer weiter hinten hat eine Armee-Patrouille ein paar Flüchtlinge aufgegriffen. Sie unterhalten sich, wie alte Freunde. Sie werden der Polizei übergeben. Keiner hat Ausweispapiere bei sich. Immer wieder hört man Gerüchte, dass auch südafrikanische Polizisten

Flüchtlinge misshandeln. Ihnen Geld abknöpfen dafür, sie laufen zu lassen. 50 Simbabwer pro Tag werden geschnappt in diesem Grenzabschnitt. Sie werden in ein Abschiebelager gebracht. Hier sollen sie höchstens 18 Stunden bleiben, auch werden sie mit Nahrungsmitteln versorgt, aber wer das Pech hat, an einem Freitagabend geschnappt zu werden, verbringt das ganze Wochenende hier, ohne Essen.

Ein Flüchtling: "Ich bin aus Simbabwe gekommen, in einem Lastwagen versteckt. Sie haben uns geschnappt und hierher gebracht."

"Wie lange seid Ihr jetzt hier?"

"Seit Freitagabend. Heute sollte jemand kommen, der uns abschiebt. Aber

Fehlanzeige."

Beit Bridge, der einzige Grenzübergang. Von hier werden die Flüchtlinge abgeschoben. Die Gruppe, die von Godknows Nare gefilmt wird, kauert inzwischen erschöpft in der Nähe der Nationalstraße, die nach Süden führt. Die Schlepper versuchen Kontakt herzustellen zu den Männern, die mit Autos die Flüchtlinge weiter bringen sollen.

Einer der Schlepper erläutert die Preise für so eine Flucht: "Ich mache das, um zu überleben. Normalerweise verlange ich hundert Rand pro Person. Dafür bringe ich sie über den Fluss."

Hundert Rand, knapp 10,- Euro. Noch ein Adrenalin-Stoß, wieder muss es schnell gehen. Momente der Panik, Momente der Konfusion. Dann haben sie es geschafft. Es geht 500 Kilometer bis nach Johannesburg. Einer

ungewissen Zukunft entgegen.

Autor: Richard Klug, ARD Studio Johannesburg